LILIAN MATTUSCHKA - MAX SEIBALD - Un-bedingt
Sa, 13 April 14:00 - So, 2 Juni 18:00

Schloss Wolkersdorf

Lilian Mattuschka und Max Seibald verbindet auf den ersten Blick das Material, aus dem sie ihre Holzskulpturen schaffen. Beide folgen der natürlichen Form des Wuchses und übersetzen diese in künstlerische Werke, die einerseits gesellschaftliche Räume sprengen und andererseits neue Perspektiven schaffen.

Kunst erfahren, am eigenen Leib erfahren, mit den eigenen Sinnen erfahren – sowohl als Künstler:in als auch als Rezipient:in – welchen Stellenwert hat das noch in einer Zeit, in der der Markt auf digitale Formate setzt, in der Kunst am Computer entsteht, in der Kunst am Computer konsumiert und mit Kryptowährung gehandelt wird?

Neue Arbeitsprozesse, neue Ausstellungskonzepte und neue Wege im digitalen Zeitalter, die unbedingt ein Pendant brauchen, meinen die Künstlerin Lilian Mattuschka und der Künstler Max Seibald.

Ein Künstler und eine Künstlerin, die auf den ersten Blick eines eint: das Material, aus dem sie ihre Skulpturen schaffen. Holz ist das verbindende Element, Holz ist das naheliegende Element. Beide sind mit der Natur aufgewachsen, beide haben einen starken Bezug zu jenem Material, das sie in ihrer Umgebung finden.


Ausstellung: 13. April – 2. Juni 2024

Sa, So, Fei 14 – 18 Uhr oder nach Vereinbarung
Galerie 1 + 2 im Schloss Wolkersdorf, Eintritt frei


Vernissage: Fr, 12. April, 19:00 Uhr

Grußworte – Dominik Litzka, Bürgermeister Stadtgemeinde Wolkersdorf

Die Ausstellungskuratorinnen Dagmar Kunert & Judith Weißenböck im Gespräch mit Lilian Mattuschka und
Max Seibald.
 


ARTIST TALK Freund:innen und Kunstinteressierten: Sonntag, 2. Juni, 17:00 Uhr

mit Kaffee und Kuchen


 

Während Max Seibald aus Baumstämmen, die dem Sturm Vaia zum Opfer fielen und ihren kommerziellen Nutzen verloren hatten, neue Räume und Perspektiven schafft, formt Lilian Mattuschka vermeintlich fragile Schmuckstücke, die die Enge gesellschaftlicher Räume verkörpern.

Verkörpern im wahrsten Sinn des Wortes, denn ihre Körperskulpturen schränken die Bewegungsfreiheit des Menschen, der sie trägt, ein, sind ein Schrei der Befreiung.

 


 

HOLLOW SHAPES - in dieser Werkserie spielt Max Seibald mit dem Konzept des "Nichts", das im Gegensatz zur totalen Überfüllung und Opulenz steht. Es definiert einen Nullpunkt, der dem kreativen Geist den Zugang verschafft, uneingeschränkt zu denken. Die fehlende Materie eines Raums muss folglich nicht als Leere gedeutet werden, sondern ergibt eine architektonische Hülle, die wiederum auf einen Zeit-Raum verweist. Ein innerer Raum bedingt durch die äußere Form, wirkt auf die Natur, indem er sie integriert. Der Blick durch das Objekt erweitert das Sichtfeld und generiert auf diese Weise einen interaktiven Raum.

 

Max Seibald erweitert den skulpturalen Begriff und eröffnet neue Perspektiven im architektonischen Gestaltungsfeld. Präzise Linienführung und minimale Formgebung täuschen über technische Hürden hinweg und verleihen der Skulptur ihre spielerische Leichtigkeit. Die lebendige Form okkupiert Räume und gibt sie gleichzeitig frei.

 

Okkupation und Befreiung - hier treffen sich die Arbeiten von Max Seibald und Lilian Mattuschka wieder. Ihre Körperskulpturen aus Holz bringen die ambivalente Zerbrechlichkeit unbedingter gesellschaftlicher Regeln zum Ausdruck, Einschränkungen werden körperlich sichtbar und spürbar.

Für beide ist die handwerkliche Komponente des Kunstschaffens elementar. Schritt für Schritt legen sie Schichten frei, lassen sich von der ursprünglichen Form und Beschaffenheit der Äste oder Stämme leiten, um deren Ausprägungen durch die bildhauerische Intervention formal zu übersteigern.

 

Max Seibalds meist radiale Bearbeitung innerhalb und außerhalb der sekundären Dickenwachstumsschicht zielt darauf ab, den an sich gesunden Teil des Holzes in größtmöglichem Volumen zu verwerten, diese Aushöhlung ist in einer Zeit-Zahl begründet, die den Jahresringen entsprechend die entfernte Materie definiert.

Lilian Mattuschka spürt dem Lebendigen im Holz nach, sie folgt den Knoten des Lebens, nimmt einen Ast und formt vom Holz geleitet ein Kettenglied nach dem anderen, ein Kettenglied, das aus dem anderen entspringt. In einer langwierigen, meditativen Arbeit kommt Bewegung in den starren Ast. Sie kann die Kette aus dem Ast befreien.

IN MEDITATION - diese Serie von Ketten entstand aus dem Bedürfnis der Künstlerin, ihre eigene Machtlosigkeit zu überwinden, sie war eine Reaktion auf die politische und kulturelle Stagnation, die sie um sich herum wahrnahm. WEAPONS OF PERFECTION nennt Lilian Mattuschka das Ergebnis einer zweijährigen Recherche rund um die Themenfelder soziales Verhalten und Normen, die die menschliche Interaktion definieren und dirigieren. Unsichtbare Fesseln und Hürden werden offenbar.

 

In der Ausstellung UN-BEDINGT begegnen die Skulpturen der beiden einander auf verschiedenen Ebenen. Während Lilian Mattuschkas Ketten von der Decke hängend eine gewisse Schwerelosigkeit suggerieren, präsentieren sich die Formen von Max Seibald am Boden liegend in einer Leichtigkeit, die im Kontrast zur tatsächlichen Größe und Schwere steht.

Beide schaffen Skulpturen, die von großer Lebendigkeit sind, zu ungeschminkten Interpretationen einladen und herrschende Bedingungen in Frage stellen. Kunstgenuss per Mausklick am Laptop als Zukunft für jene, die Kunst schaffen, die mit Kunst handeln und die Kunst genießen?

Lilian Mattuschka und Max Seibald schwimmen nicht mit diesem Strom, für sie geht es nicht nur um Ideen und Prozesse, sondern vielmehr auch um die haptisch erfahrbare Kunst und den interaktiven Austausch von Künstler:in und Rezipient:in. Das unbedingte, unmittelbare, tatsächliche Erlebnis gewinnt in ihren Augen gerade im kryptokünstlerischen, von digitalen Codes geprägten Zeitgeist an immenser Bedeutung.

Ausstellungskonzept: Judith Weissenböck


LILIAN MATTUSCHKA wurde 1989 in Wien geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Italien. Sie wuchs am Land auf, mitten im Wald und umgeben von Bäumen. Kontraste sind seit jeher ein bestimmendes Element für sie.

Nach Studienjahren in Florenz (Grafik und Radierung) und Turin (Schmuck- und Accessoire-Design) kehrte sie den Universitäten den Rücken, zog zurück in die ländliche Toskana und entwarf und fertigte Taschen und Rucksäcke aus Lederresten einer Möbelfabrik. Schließlich fand sie an der "Alchimia Contemporary Jewellery" in Florenz, die sie 2016 mit einem Master in Fine Arts abschloss.

Aktuell absolviert sie den Lehrgang "Art & Economy" an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.

Sie fand ihren Weg zwischen Schmuck und Skulptur und beschäftigt sich seither intensiv mit den Ausdrucksformen menschlicher Körper, das führte sie auch in Richtung Performance und Video Art.

2022 wurde Lilian Mattuschka mit dem „Eligius-Preis für Körperschmuck und Schmuckobjekte“ ausgezeichnet.

MAX SEIBALD wurde 1968 in Lienz geboren und wuchs auf einem Bergbauernhof in Heiligenblut am Großglockner auf. Er absolvierte zunächst eine Tischlerlehre, anschließend besuchte er eine private Schule für Bildhauerei in Bad Kleinkirchheim. Er studierte Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Joannis Avramidis und Michelangelo Pistoletto und Visual Arts an der Università Iuav di Venezia. Er lebte mehr als zehn Jahre im Veneto, aktuell lebt und arbeitet er in Wien und Kärnten.

Sein bildhauerisches Werk ist in dem Buch „Max Seibald SHAPES OF SPACE“ (Ritter Verlag) ausführlich dokumentiert, seine Arbeiten im Bereich Architektur und Design in „Max Seibald SHAPES OF LIVING“ (Verlag Anton Pustet).

Er wurde mit unter anderem mit dem Förderungspreis für bildende Kunst, Kärnten, ausgezeichnet, und ist regelmäßig Gast bei Symposien in Italien, Polen, Slowenien. Für sein Projekt my space 192 war Max Seibald für den Österreichischen Bauherrenpreis nominiert und 2022 mit dem „BigSee-Award für Architektur und Design“ ausgezeichnet.

 

Bildcredits Arbeiten von Max Seibald: Atelier Max Seibald

Bildcredist bei Arbeiten von Lilian Mattuschka: Federico Cavicchioli
 

facebook newsletter